Freizeit ist kostbar. Zwischen Job, Familie/Beziehung, Haushalt und unerfreulichen Erwachsenendingen (irgendeine Versicherung oder irgendein Amt will ja immer etwas!) bleibt wenig echte Freizeit übrig, die mit schönen Dingen gefüllt werden kann. „Schöne Dinge“ – für mich und für viele andere zählen dazu auf jeden Fall Filme und Serien. Da die Freizeit begrenzt ist, wird aber natürlich nicht irgendetwas geschaut, sondern nur bestbewertete Qualitätsproduktionen. Natürlich OmU. In HD. Ohne Werbung.

Ich frage mich: Haben wir im Zuge der Freizeitoptimierung den Spaß und die Unbeschwertheit des Film- oder Serienschauens unserem Anspruchsdenken geopfert? Zählt für uns das „Wie“ heute vielleicht sogar fast noch mehr als das „Was“? Im Folgenden beleuchte ich einige Argumente dazu näher, die mir immer wieder begegnen und deren Einfluss auf das Sehverhalten ich bisweilen wirklich erschreckend finde. Wenn Euch einige Thesen oder Fragen provozieren – das ist beabsichtigt. Lasst uns eine offene Diskussion zu diesem Thema starten. Ich freue mich darauf!

Synchronisation: Des Film- und Serienfans größter Feind!

Das Phänomen, audiovisuelle Produktionen am liebsten im Originalton zu konsumieren, ist nicht neu. Mit der kommerziellen Vermarktung von Film und TV-Serien für den Heimgebrauch und dem Aufkommen des Internets bot sich schon in den neunziger Jahren die Möglichkeit, englischsprachige Unterhaltungsmedien zu erwerben. Dies war freilich mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden. Erst durch den Siegeszug von DVD und Blu-Rays, die über mehrere Tonspuren verfügen, ist O-Ton/OmU mehr und mehr ins Bewusstsein auch solcher Film- und Serienfans gerückt, die vorher nie ein Problem mit synchronisierten Unterhaltungsmedien hatten. Natürlich hat der Originalton Vorteile, die auch ich zu schätzen gelernt habe: Das Seherlebnis wird authentischer, Wortwitz geht nicht durch Sprachwechsel verloren und ganz nebenbei werden auch noch die Fremdsprachenkenntnisse aufpoliert.

Was aber gern vergessen wird: Gerade Letzteres geschieht nicht von jetzt auf gleich und funktioniert auch nur, wenn bereits mäßige bis gute Sprachkenntnisse und auch eine gewisse Lesegeschwindigkeit (ggf. auch in der Fremdsprache) vorhanden sind. Fehlt beides – wir können nicht alle Sprachtalente sein, was völlig normal und absolut in Ordnung ist – wird sich kaum je Spaß am Originalton einstellen. All jene, die immer wieder fordern, fremdsprachige Produktionen in TV nur noch OmU auszustrahlen, vergessen bisweilen, dass sie damit ganze Bevölkerungsgruppen vom Konsum regelrecht ausschließen. Oder könnten (und würden!) Eure Eltern oder Großeltern dann noch amerikanische Spielfilme im TV anschauen? Letztlich werden Kino- und TV-Produktionen doch aus nur einem einzigen Grund hergestellt: zur Unterhaltung. Stellt sich diese denn wirklich nur im Original ein? Und falls nicht: Ist das nicht ein bisschen kleingeistig?

Werbung? Nein, danke!

Neben dem Fakt, dort nur synchronisierte Fassungen vorzufinden, gibt es noch ein weiteres Totschlagargument gegen den Konsum von Filmen und Serien im TV: Werbung. Dies ist ein leidiges Thema, ich sehe es ein. Als treue Grey’sAnatomy-Schauerin habe ich Erfahrung damit, ellenlange Werbeblöcke zu ertragen. Ich sage bewusst „zu ertragen“, damit hier nicht der Eindruck aufkommt, ich würde Gefallen an Werbung finden. Dem ist nicht so. Dennoch lohnt ein Gedanke daran, warum diese Werbung überhaupt stattfindet. Es liegt auf der Hand, dass das Privatfernsehen sich darüber finanziert und Werbeeinnahmen es überhaupt erst möglich machen, beliebte Filme oder Serien einzukaufen und ins deutsche Free-TV zu holen. Wäre es schön, wenn zum Beispiel mein Rundfunkbeitrag dafür verwendet würde, Produktionen einzukaufen, die mich interessieren und ich diese dann werbefrei schauen könnte? Klar. Ist es andersherum betrachtet aber wirklich so schlimm, wenn eine 40-minütige Serienfolge zweimal durch Werbung unterbrochen wird? Ich für meinen Teil kann mich in diesen fünf- bis zehnminütigen Pausen hervorragend mit mir selbst beschäftigen oder mit meinem Mitschauer darüber unterhalten, was wir gerade gesehen haben. Vielleicht ist es ein Ansatz, Werbepausen neu zu denken und sie als Chance zum Austausch zu sehen, als Intermezzo, als dramatisierendes Moment, als Zeit, um das Gesehene kurz zu rekapitulieren?

Wie, nur eine Folge pro Woche? Ich will alle – und zwar jetzt!

Ich stehe mit dem sog. Bingewatching auf Kriegsfuß. Nie im Leben würde ich es schaffen, an einem Wochenende eine ganze Serienstaffel zu schauen. Und ganz ehrlich: Dazu hätte ich auch gar keine Lust. Mir reicht meine allabendliche Folge. Mir reicht sogar meine allwöchentliche Folge. Ich schrieb schon öfter, dass ich das Ritual, eine Serie jede Woche zur selben Zeit zu konsumieren, sehr schön finde. Es ist auch ein Zeichen von Wertschätzung dieser Produktion gegenüber, ihr einen festen Platz in seinem Leben einzuräumen und sie eben nicht in wenigen Tagen oder sogar nur Stunden zu verschlingen. Ein Problem begegnet mir nämlich immer wieder, wenn ich Serien doch einmal in sehr kurzer Zeit schaue: Die Staffel verschwimmt zu einem großen Etwas und ich bin kaum in der Lage, den Details Beachtung zu schenken. Manchmal kommt es sogar vor, dass ich der übergreifenden Handlung nicht komplett folgen kann. Reizüberflutung nennt sich dieses Phänomen; zu viele Informationen in zu kurzer Zeit prasseln auf das Gehirn ein und es ist einfach nicht in der Lage, diese angemessen zu verarbeiten. Ist das dann wirklich der bessere Film- oder Seriengenuss? Streaming und DVD-/Blu-Ray-Boxen verführen dazu, aber warum all der Kampf um OmU und Werbefreiheit, wenn die Produktion dann doch in nur wenigen Stunden am Konsumenten vorbeirauscht?

Qualität geht nur in höchster Qualität: Nicht ohne HD und das richtige Filmformat!

Ich schätze den Austausch mit anderen Bloggern sehr. Fast täglich zum Beispiel stehe ich in Kontakt mit dem guten bullion von moviescape.blog. Ohne ihn wäre ich vermutlich niemals darauf aufmerksam geworden, dass manche Filme im Streaming im falschen Filmformat verfügbar sind. Details dazu kann ich nicht wiedergeben, denn – bitte verzeiht mir – davon habe ich überhaupt keine Ahnung. Ich weiß auch nach wie vor nicht, ob der Fernseher, der hier im Wohnzimmer steht, HD-fähig ist oder nicht. Ganz ehrlich: Es ist mir auch schnurzpiepegal. Mag sein, dass es daran liegt, dass ich kein visueller Mensch bin. Ich habe kein Auge für den perfekten Fotowinkel und auch nicht für gestochen scharfe Farben. Für mich zählt bei Filmen und Serien vor allem die Story. Wenn mich die Geschichte fesselt, ist es mir völlig egal, ob am Bildschirmrand schwarze Balken sind oder die Farbkontraste stärker sein könnten. Für mich rettet ein perfektes Bild auch niemals eine miese Story. Nie, nie, niemals. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang natürlich der Umgang mit älteren Filmen oder Serien. Verzichten alle, die auf HD pochen, nun eigentlich auf Produktionen, die nicht hochauflösend zur Verfügung stehen?

I want it all, I want it now!

Zu Jahresbeginn ist der Traum aller Serienjunkies wahr geworden: Streamingdienste können nun ohne Einschränkungen in allen EU-Ländern genutzt werden. Endlich auch auf Malle am Strand, in der Londoner U-Bahn oder der griechischen Taverne netflixen! Bedenkt man, dass viele Streamingdienste auch (begrenzt) offline verwendet werden können, gibt es praktisch kein Situation mehr, in denen Nutzer sich nicht einen Film oder eine Serie ihrer Wahl anschauen können. Das ist praktisch, keine Frage, und auch ich werde diese Möglichkeit auf dem Flug in den nächsten Urlaub sicherlich nutzen. Problematisch finde ich das Anspruchsdenken, das sich daraus bisweilen ergibt. Wenn all unsere Lieblingsfilme und Serien immer und überall verfügbar sind, was macht das mit uns? Wir werden noch ungeduldiger, als wir es eh schon sind. Dass es Zeit und Geld und auch Muße braucht, um die hochwertigen Produktionen herzustellen, die wir gern schauen, tritt völlig in den Hintergrund vor der Frage, wann denn jetzt endlich neue Folgen verfügbar sind. Letzten Endes sind Filme und Serien immer noch Erzeugnisse der Kreativwirtschaft. Als jemand, dessen Beruf es ist, Texte zu verfassen, weiß ich, dass gut Ding bisweilen auch Weile haben muss. Wer also Qualitätsproduktionen konsumieren möchte, sollte sich vor Augen führen, dass der kreative Prozess dahinter eben Zeit braucht. Wer nur konsumieren will, kann wochentags einfach um 19.40 Uhr RTL einschalten.

Fazit: Sind Film- und Serienfans zu anspruchsvoll?

Ein echtes Fazit zur oben gestellten Frage zu ziehen, fällt mir schwer. Letztlich ist es immer eine sehr persönliche Entscheidung, wie jeder von uns Filme und Serien konsumiert und was jeder von uns für ein gelungenes Seherlebnis wirklich benötigt. Selbst wenn wir alle denselben Film in derselben Qualität anschauen, wird unser Fazit dazu völlig unterschiedlich sein. Zu sehr ist jeder Mensch geprägt durch seine Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen. Ästhetiker werden immer HD-Produktionen bevorzugen, Freunde des gepflegten Wortspiels O-Ton nicht missen und Ungeduldige nicht nur eine Folge pro Woche schauen wollen. Dennoch möchte ich nicht verhehlen, dass es mich bisweilen verwundert, welches Aufhebens um das „Wie“ und nicht (mehr?) um das „Was“ gemacht wird. Sind Technik und Verfügbarkeit wirklich die Aspekte, die Film- und Serienfans vorrangig diskutieren wollen? Das fände ich schade.

Was denkt Ihr zu diesem Thema? Ist unsere Anspruchshaltung zu hoch? Haben wir vielleicht sogar den Spaß am einfachen Konsum verlernt? Oder sind HD, O-Ton und allgegenwärtige Verfügbarkeit einfach Standard, den wir nicht mehr missen möchten? Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!