Ich tue es gerne und ich wette, jeder von Euch hat es auch schon getan: Eine Serie (oder einen Film) ein zweites Mal schauen. Vielleicht seid Ihr sogar so verrückt wie ich und wart in einige Serienuniversen schon mehr als zweimal zu Gast. Obwohl es wahrlich keinen Mangel an guten TV-Serien gibt, übt ein Rewatch manchmal einen deutlich größeren Reiz aus als die Aussicht, eine neue Serie zu beginnen. Aber warum eigentlich? Ich gehe diesem Phänomen im Folgenden auf den Grund.

Was ist eigentlich ein Rewatch?

Lasst uns vorab die Begrifflichkeiten klären. Unter einem Rewatch verstehe ich das erneute Anschauen einer Staffel oder gleich einer gesamten TV-Serie in chronologischer Form. Wichtigstes Kriterium ist es, dass die Folgen – logisch – bereits einmal geschaut wurden. Sollte also beispielsweise der Fall eintreten, dass Ihr von einer Serie Staffel 1, 2 und 4 gesehen, aber Staffel 3 verpasst habt, wäre das Nachholen dieser Staffel für mich kein Rewatch – auch wenn Ihr vielleicht schon wisst, was in den Folgen passieren wird (immerhin habt Ihr die Folgestaffel ja gesehen).

Durch die Bekanntheit der Ereignisse erlaubt ein Rewatch es zwar ferner, einzelne Episoden oder Episodenteile auszulassen oder die Episoden nicht chronologisch zu konsumieren, aber auch das ist für mich kein Rewatch im engeren Sinne. Folgen, die aufeinander aufbauen, sollten auch nacheinander konsumiert werden. In Einzelfällen mag es in Ordnung sein, bestimmte Folgen, die man gar nicht mag, zu überspringen – aber bitte nicht in jeder Staffel zehn Stück. 😉

Nachdem das jetzt geklärt ist, kann die Suche nach dem „Warum“ beginnen. Was macht ihn denn jetzt so unwiderstehlich, den Rewatch? Ein Erklärungsversuch in fünf Akten.

1. Nach der Staffel ist vor der Staffel

Früher, sagen wir vor etwa zehn Jahren, war der klassische Serienrhythmus folgender: Im Herbst starteten die neuen Folgen einer bereits längerlaufenden (US-)Serie im deutschen TV. Mit Unterbrechungen durch Weihnachten und weitere Ereignisse streckte sich die Ausstrahlung einer 20-22-folgigen Networkproduktion bis in den Frühsommer des Folgejahres. Nach etwa drei Monaten Pause, in denen – so die Annahme der meisten Sender – eh niemand Fernsehen schaut (welch ein Irrtum!), begann das Spiel dann von vorn. Die Spanne zwischen den einzelnen Staffeln betrug also im Idealfall nur wenige Wochen.

Heute sieht das freilich anders aus. Die große Mehrheit der TV-Serienjunkies streamt Serien oder sammelt fleißig DVD- oder Blu-Ray-Boxen. Das Sehverhalten hat sich damit grundlegend verändert. Staffeln werden in wenigen Wochen, Tagen oder womöglich sogar nur an einem einzigen Wochenende konsumiert. Selbst Amazon oder Netflix mit ihren gefühlt unbegrenzten finanziellen Ressourcen können nicht so schnell Nachschub produzieren, wie die Nutzer ihre Serien konsumieren. So vergehen zwischen der Sichtung einzelner Staffeln oft mehrere Monate, wenn nicht gleich ein Jahr. Selbst diejenigen mit einem Mammutgedächtnis werden sich nach zwölf Monaten kaum noch an die Ereignisse der vorherigen Staffel erinnern. Hier kommt der Rewatch ins Spiel. Die Veröffentlichung der neuen Staffel ist für Ende des Monats angekündigt? Perfekt – dann ist der Moment gekommen, die vorangegangene Staffel noch einmal zu sichten und sich damit bestmöglich auf die neuesten Entwicklungen vorzubereiten. Ich gebe zu, dass ich persönlich diese Art des Rewatches eher selten praktiziere. Ich würde gerne, aber oft ist mir die Zeitspanne zwischen Ankündigung der nächsten Staffel und Veröffentlichung der neuen Folgen zu kurz. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass diese Art des erneuten Konsums einer Staffel eine der beliebtesten ist.

2. Das große Ganze sehen

Die besten Serien sind mit der letzten Folge nicht vorbei. Die besten Serien schaffen es, einen Abschluss zu liefern, der überrascht, berührt und die Handlung in einem neuen Licht dastehen lässt. Die besten Serien laden dazu ein, sie sofort nach dem Ende nochmal schauen zu wollen, weil das Ende alles auf den Kopf stellt. Auch wenn es auf den ersten Blick merkwürdig erscheint, ist das Serienfinale essentiell, um das Serienerlebnis als gelungen zu empfinden. Selbst wenn alle vorherigen Staffeln und Folgen toll waren, kann ein unzureichender Abschluss den Willen und den Weg zu einem Rewatch deutlich schwerer machen. Eine tolle Serie mit einem alles verändernden Ende hingegen löst in mir normalerweise sofort den Wunsch nach einem „Nochmal!“ aus. Ein gutes Beispiel ist Lost. Die Serie habe ich beendet und direkt noch einmal geschaut. Und wenn ich direkt sage, dann meine ich direkt. Und wenn ich Serie sage, dann meine ich auch die komplette Serie. Mit dem Wissen darum, wie die Geschichte zum Abschluss gebracht wird, erscheinen Ereignisse plötzlich in einem anderen Licht. Das ist spannend und lässt die Story auch beim zweiten Mal kein bisschen langweilig erscheinen.

3. Im Bekannten Neues entdecken

Ein tolles Ende kann den Wunsch nach einen Rewatch befeuern. Genauso funktioniert dies aber durch eine komplexe und dichte Erzählweise. Im Quality TV passiert in 45 Minuten einer Serienfolge oft mehr als in einem ganzen Kinofilm. Handlungsstränge werden begonnen, vernachlässigt, wieder aufgenommen, mit anderen verwoben und irgendwann aufgelöst – oder auch nicht. Jede Szene ist wichtig für das große Ganze, für das Fortlaufen der Handlung und die Entwicklung der Charaktere. Oft spielen auch Symbole und Anspielungen eine Rolle, die der Zuschauer zunächst gar nicht wahrnimmt; Kleinigkeiten, die sich im Szenenhintergrund abspielen, können sich Folgen später als enorm wichtig erweisen. Ja, qualitativ hochwertige Serien fordern den Zuschauer, aber gerade danach hat er sich ja auch jahrzehntelang gesehnt. Das goldene Zeitalter der TV-Serie beschert(e) uns Serien wie The Sopranos oder The Wire, die sich selbst nach der der x-ten Sichtung niemals in Gänze erschließen werden, so – im positiven Sinne – überladen sind sie mit Figuren, Geschehnissen, Anspielungen, Symbolen und Hintergrundaction. Hier gibt es in jeder Folge so viel zu entdecken, dass auch ein Rewatch voller Aha-Erlebnisse abläuft. Ich habe beide der genannten Serien bislang nur einmal gesehen, bin mir aber sicher, dass ich sie irgendwann nochmal schauen und dann völlig geflasht sein werde von Dingen, die mir beim ersten Mal entgangen sind. Gerade The Wire ist so komplex, dass es beim ersten Mal eigentlich nur an mir vorbeigerauscht ist und ich sprachlos und teilweise extrem überfordert vor dem TV saß.

4. Take me back in time!

Als ich neulich darüber schrieb, warum Guilty-Pleasure-Serien so eine große Anziehungskraft ausüben, bin ich auch darauf eingegangen, dass dort oft Situationen und Charaktere nachgezeichnet werden, die jedem Zuschauer bekannt sind. Ähnlich verhält es sich manchmal auch mit Serien, die erneut angeschaut werden, nämlich dann, wenn sie eine Brücke in die Vergangenheit des eigenen Lebens schlagen. Ich liebe die Gilmore Girls und finde, dass dies eine der besten Familien/Coming-of-Age-Serien ist, die es gibt und jemals geben wird. Neben der Geschichte liebe ich es aber auch, dass die Serie mich in meine Vergangenheit zurückwirft; in eine Zeit, in der diese Serie nachmittags auf VOX lief (Wer erinnert sich auch noch daran? Hand hoch!) und meine einzige Verantwortung darin bestand, die Hausaufgaben für den nächsten Tag zu erledigen und in der nächsten Matheklausur nicht wieder nur drei Punkte zu schreiben (das hat meistens übrigens nicht geklappt, aber daran trugen die Gilmore Gils am wenigsten schuld). Die Gilmore Girls geben mir ein unbeschwertes Gefühl, das eine große Anziehungskraft auf mich ausübt. Nicht ohne Grund schalte ich auch heute am Vorabend regelmäßig sixx ein, wo die Serie aktuell ausgestrahlt wird.

5. Der Mensch als Gewohnheitstier

Ich kann es nicht oft genug betonen, aber Menschen sind Gewohnheitstiere. „Einmal gut, immer gut“ ist eine Devise, nach der es sich in vielen Bereichen exzellent leben lässt. So auch bei TV-Serien. Mit einer Show, die einmal gefallen hat, kann eigentlich auch beim zweiten Mal nichts schiefgehen. Sich hingegen für eine neue Serie zu entscheiden, kann anstrengend sein und ist mit einem Risiko verbunden. Was, wenn die Wahl falsch wahr und die Serie nicht zu überzeugen weiß? Die Folge wäre ein unbefriedigendes Seherlebnis und – seien wir ehrlich – damit auch ein unschöner Abend oder ein missglücktes Wochenende. Sich für das Bekannte, das Erprobte zu entscheiden, ist einfach, bequem und risikolos. Beispiel gefällig? Ich rewatche aktuell mit viel zu viel Begeisterung The Vampire Diaries. Nach dem Ende von Pretty Little Liars war mir nach Guilty Pleasure und ich entschied mich für eine Serie, von der ich schon wusste, dass sie mir genau das bieten würde, wonach ich suchte: anspruchslose Unterhaltung für den späteren Abend. Hätte ich stattdessen auch eine der zig weiteren Serien auf Netflix, die angeblich keiner guckt, auswählen können? Natürlich. Wollte ich das? Natürlich nicht. Das Vertraute ist reizvoll und in einer Gesellschaft der permanenten Entscheidungen bisweilen einfach ein Fels in der Brandung.

Play ist again: Ist der Rewatch das bessere Serienvergnügen?

Das Bekannte übt einen großen Reiz aus, so viel ist klar. Dennoch kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass eine Serie beim zweiten Mal genauso viel oder sogar noch mehr Spaß macht als eine neue. Auch das Unbekannte fasziniert uns Menschen einfach. So bleibt es im Spannungsfeld zwischen alt und neu immer eine ganz persönliche Entscheidung, ob ein Rewatch Sinn ergibt oder nicht. Frei nach dem Motto „Erlaubt ist, was gefällt“ ist alles möglich.

Ich stehe dazu: Ein Rewatch kann spannend sein und viel Spaß machen. Wie seht Ihr das – schaut Ihr Serien mehrfach? Meine Lieblingsserie Fringe habe ich inzwischen schon fünfmal komplett geschaut. Verratet mir doch, von welchen Serien Ihr einfach nie genug bekommt!