„Und, was willst du mal werden?“

Meist hören Kinder diesen Satz bereits im Grundschulalter von irgendeinem übereifrigen Bekannten oder Verwandten das erste Mal. Während in diesem Alter noch so gut wie jede Antwort („Feuerwehrmann!“ „Prinzessin!“ „Astronautin!“ „Filmstar!“) wohlwollend lächelnd akzeptiert wird, ändert sich dieser Umstand nur wenige Jahre später schlagartig. Nach neun, zehn, zwölf oder gar 13 Jahren Schule wird das eifrige Kind ja wohl herausgefunden haben, was es mit dem Rest seines Leben anstellen will. Immerhin gab es ja auch ein, zwei Praktika und mindestens drei Tage Berufsorientierung in der Schule, um sich auszuprobieren.

Die gesellschaftliche Erwartung ist hoch

Diese Darstellung der gesellschaftlichen Erwartungshaltung ist sicherlich überspitzt, aber wie so oft steckt eben doch ein Funken Wahrheit dahinter. Denn in unserer Gesellschaft gilt immer noch (oder vielleicht auch mehr denn je): Du bist, was du arbeitest. Und arbeitest du nicht oder nichts „Anständiges“, bist du auch nichts. In dieser Erwachsenwelt, der ich nun schon gute zehn Jahre angehöre und die ich nach wie vor recht anstrengend und bisweilen überfordernd finde, kommt das Gespräch meist sehr schnell auf das Thema Arbeit. Und muss man dann eingestehen, dass man sich gerade umorientiert, dass man den Traumberuf noch nicht gefunden hat, erntet man nicht selten betretenes Schweigen oder halbherzige „Oh, das ist ja cool.“-Antworten. Unser Beruf definiert uns, zeigt anderen, was uns wichtig ist und auf welchem Gebiet wir Experten sind.

Aber kommen wir zurück zum glücklichen (Bald-)Schulabgänger, der sich nun aus einem Wust an Ausbildungen und Studienmöglichkeiten die richtige aussuchen und damit glücklich werden soll. Dabei gibt es natürlich zig mehr oder wenige nützliche Berater: Familie, Freunde, Lehrer, Berufswahltests, … Jeder hat seine eigene Meinung über den richtigen Weg. Eine Ausbildung machen, weil man sofort Geld verdient und das etwas „Handfestes“ ist? Studieren, weil Akademiker im Durchschnitt mehr verdienen? Oder beides in einem dualen Studium vereinen? Allein die Frage nach der Ausbildungsform kann nervenaufreibend sein – und da ist die inhaltliche Entscheidung noch gar nicht getroffen. Nie gab es mehr Ausbildungsberufe als heute. Nie war die Vielfalt an Studiengängen an Universitäten, Fachhochschulen und privaten Hochschulen größer. Inzwischen kann man Friedensforschung studieren oder Nanotechnologie oder Gerontologie. Wohl dem, der schon immer Arzt oder Lehrer werden wollte und sich mit dieser inhaltlichen Entscheidung nicht befassen muss.

Drei Berufswahl-Typen

Ich vertrete ja – nach eingehender Forschung zu diesem Thema in meinem Umfeld – die These, dass es bei der Berufswahl drei Typen gibt:

  1. Diejenigen, die schon immer einen bestimmten Beruf im Blick hatten, diesen dann ergreifen und damit glücklich werden. Der Herr Koch ist ein exzellentes Beispiel dafür, denn für ihn gab es nie, wirklich nie, einen anderen konkreten Berufswunsch.
  2. Diejenigen, die nicht wissen, was sie werden wollen, und dann durch Zufall in irgendeinem Beruf landen. Weil Papa das auch macht, weil sich in der Firma in der Nebenstraße eine Chance bot oder weil die Uni in der Nachbarstadt eine Zusage für BWL geschickt hat. Es erstaunt mich immer wieder, wie erfolgreich diese Variante ist; ich könnte zig Beispiele aus meinem Bekanntenkreis dafür nennen.
  3. Diejenigen, die nicht wissen, was sie werden wollen und eigentlich nur auf der Suche sind nach etwas, das sie gerne tun und das sie glücklich macht. Menschen dieses Typs haben es am Schwersten, denn oft sind sie Grübler, vielleicht sogar Zweifler, und fragen sich, ob er das jetzt wirklich ist, ihr Beruf. Sie brauchen vermutlich etwas länger, um dort anzukommen, wo Typ 1 und 2 recht fix landen. Ganz offensichtlich bin ich Typ 3.

Mir macht es inzwischen rein gar nichts mehr aus, Typ 3 zu sein. Ich habe schon viel gemacht, einiges gesehen und in jeder Berufsstation etwas gelernt – und sei es, dass es dieser Beruf eben nicht ist. Scheitern als Chance ist auch bei der Beurfswahl kein schlechter Ansatz, denn gerade in Krisen besinnen wir uns doch darauf, was uns wirklich wichtig ist. Denkt man diesen Ansatz weiter, eröffnen sich vielleicht, nein ganz bestimmt, neue berufliche Ideen. Ich hätte nie das Schreiben zum Beruf gemacht, wenn ich nicht so furchtbar ungerne Lehrerin gewesen wäre. Danach gab es für mich keine Alternative mehr: Ich musste einen Beruf ergreifen, bei dem ich den ganzen Tag in die (Computer-)Tasten hauen kann. Dass diese Umorientierung Hindernisse aufwirft, dass man viel Neues lernen muss und darf und auch nach Wochen und Monaten noch Fragen auftauchen, für deren Beantwortung man Hilfe braucht, gehört dazu. Wichtig ist das Gefühl, richtig zu sein. Falls man nicht weiß, ob man richtig ist, stelle man sich Folgendes vor:

Ein Fahrt im Zug, der Sitznachbar ist ein angenehmer Gesprächspartner – bis zur unvermeindlichen Frage nach dem Beruf. Wie antwortet man nun darauf?

  • Mit einem Lächeln und begeisterten Erzählungen? Mit Geschichten und Anekdoten aus der Firma und dem Alltag? Mit detaillierten Beschreibungen, bei denen die Augen leuchten?
  • Oder nur kurz und knapp mit drei Worten, um die Frage direkt wieder zurückzugeben und das Gespräch auf den Beruf des Gesprächspartners zu lenken?

„Mach doch, was Du willst!“

Dass nicht jeder Arbeitstag toll sein kann, spielt keine Rolle. Auch der Traumberuf macht nicht immer Spaß. Das Gegenüber merkt es trotzdem sofort, ob der Gesprächspartner seinen Beruf gerne macht oder nicht. Ich konnte nie mit Begeisterung erzählen, dass ich Lehrerin bin. Inzwischen kann ich so über meinen Beruf sprechen. Deshalb plädiere ich nach wie vor aufs Schärfste dafür, bei der Berufswahl den eigenen Interessen zu folgen. Dass sich diese mit 18 noch nicht komplett gezeigt haben, ist völlig klar. Es ist keine Schande, sich nach einer Ausbildung, dem Studium oder dem ersten Job noch einmal umzuorientieren. Die Pädagogische Psychologie lehrt uns, dass der Charakter eines Menschen sich bis zum 30. Lebensjahr noch in der Entwicklung befindet. Mit 15, 16 oder 18 eine Entscheidung für einen Beruf treffen zu müssen, ist eine Notwendigkeit. Es sollte aber okay sein, diese Notwendigkeit in den Zwanzigern (oder meinetwegen auch deutlich später) noch einmal zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen.

Welcher Berufswahltyp seid ihr? Ist Euch die Entscheidung für Euren Beruf leicht gefallen oder musstet Ihr auch ein bisschen suchen? Oder sucht Ihr vielleicht immer noch? Erzählt mir Eure Berufswahl-Geschichte!