Am Wochenende habe ich Zeit. Zu viel Zeit. Viel zu viel Zeit.
Das auserwählte Exemplar Mann ist von früh bis spät arbeiten. In meinem Freundeskreis widmen sich samstags und sonntags alle ihrer besseren Hälfte oder den Kindern. Meine einzige Singlefreundin steckt gerade mitten im Masterarbeitsendspurt. Meine Familie wohnt zu weit weg, als dass ich sie ständig besuchen könnte (…was v. a. eine Geldfrage ist). Im Hotel ist wenig los, sodass ich auch nicht arbeiten muss darf (Gott, ich würde so gerne arbeiten am Wochenende!). Die Jobbörsen habe ich täglich bereits nach wenigen Minuten erfolglos durchforstet, auch die Wohnung – die ja nur aus einem Zimmer plus Bad besteht – kann man nicht ständig putzen. So habe ich am Wochenende viel Zeit für mich. Eigentlich bin ich ganz gerne mal allein, ich brauche nicht ständig Menschen um mich. Momentan jedoch grübele ich insbesondere an den einsamen Wochenenden viel zu viel, was mir nicht gut tut. Obwohl mein Leben an sich – bis auf einen adäquaten Job – gut ausgefüllt ist, fühle ich mich dann manchmal nutzlos und überflüssig. Das ist Quatsch, ich weiß das. Ich habe eine Familie, die hinter mir steht; ich habe einen Freund, der mich bei allem unterstützt, was ich mache oder in Zukunft machen möchte; ich habe tolle Freunde. Gerade erst habe ich mein Studium beendet – eine lange Phase des Lernens und auch des Stresses ist damit vorbei und eigentlich sollte es in Ordnung sein, danach mal ein bisschen durchzuatmen und sich zu sortieren. Ist ja nicht so, dass dieser Zustand von Dauer sein wird.
Trotzdem wollen die Stunden am Wochenende erstmal gefüllt sein. Freizeit macht lange nicht so viel Spaß, wenn sie erzwungen ist. Langsam komme ich aber zu der Einsicht, dass es okay ist, diese beiden Tage mit Dingen zu füllen und zu gestalten, die mir Spaß machen. Ich kann mir keinen Job backen, also kann ich auch nicht mehr tun, als Augen und Ohren offenzuhalten. Solange ich das tue, spricht nichts dagegen, das Wochenende mit Zeit an der frischen Luft, mit Serien, mit Schreiben und Bloggen, mit Häkeln und mit Lesen zu verbringen. Und mit Essen. Zum Glück kann ich essen, was ich will, ohne zuzunehmen – ansonsten hätte meine Figur schon arg gelitten die letzten Wochen.
Eine konstante Freunde bereiten mir ja zum Glück nach wie vor Fernsehserien. Jüngst habe ich erst wieder einige Staffeln beendet, die ich nun nach und nach reviewen werde. Heute beginne ich mal mit der zweiten Staffel einer Serie, die mich bereits mit ihrer ersten Staffel gefesselt hat. Es handelt sich um die kanadische BBC-Serie Orphan Black.
Achtung, der Rest dieses Beitrags ist nicht spoilerfrei!
In meinem Beitrag zu Staffel 1 habe ich mich der Serie – damals ganz im Zeichen meiner Masterarbeit – über das Thema der Identität genähert. Nach wie vor bietet sich ein solcher Zugang an, allerdings möchte ich die Nerven meiner lieben Leser mit dieser Theorie nicht überstrapazieren. Außerdem tut mir ein bisschen Abstand von der Identitätsproblematik gerade auch ganz gut (s.o.).
Staffel 2 nun macht nahtlos dort weiter, wo Staffel 1 aufgehört hat. Im Zentrum der Geschichte stehen nach wie vor vier Klone: die rastlose Sarah (und ihre Tochter Kira), die überkandidelte Hausfrau Alison, die Wissenschaftlerin Cosima und die durchgeknallte und skrupellose Helena. Diese ungleichen vier bewegen sich zwischen der Frage nach ihrer Herkunft, der Sorge um ihre eigene Gesundheit und der von ihnen nahe stehenden Menschen sowie weiteren individuellen Problemen (Drogen, schlimme Vergangenheit,…). Der große „Feind“ aus Staffel 1 ist auch in Staffel 2 präsent: Aldous Leekie, Chef des Dyad Instituts, der die Klone für seine eigene Forschung missbrauchen will. Ihm zur Seite steht ein weiterer Klon, Rachel, der in Staffel 2 auch eine größere Rolle spielt. Neben diesem technologielastigen Gegenspieler tritt jedoch in Staffel 2 noch eine weitere Gruppierung auf, die sich für die Klone interessiert: eine streng gläubige religiöse Sekte. Diese bedient sich unter dem Deckmantel ihres Glaubens jedoch auch modernster Reproduktionstechnik, um z. B. Helena Eizellen zu entnehmen, zu befruchten und diese sowohl ihr als auch anderen Frauen einzupflanzen. Die ganze Staffel kreist somit um ein großes Thema: Um die Erschaffung neuen Lebens und die Frage, welche Rolle der Mensch dabei spielen kann und darf. Dabei werden sowohl technische, ethische als auch religiöse Sichtweisen angesprochen, was der Serie mehr Tiefgang beschert.
Wie auch schon in Staffel 1 bleibt das Erzähltempo hoch; unerwartete Wendungen sorgen dafür, dass der Zuschauer kaum erraten und sich nicht auf das einstellen kann, was als nächstes passieren wird. Gerade dieser Umstand macht den enormen Suchtcharakter der Serie aus. Wer hätte z. B. damit gerechnet, dass auf einmal ein männlicher Klon auftaucht? Dass Kiras Vater eine wichtige Rolle spielt? Dass Felix und Art so gut zusammenarbeiten? Dass es neben den weiblichen Klonen auch ein Projekt mit männlichen Klonen gab? Zudem schafft die Serie es bei all der Spannung trotzdem immer noch, eine gewisse Leichtigkeit bzw. einen gewissen – wenn auch manchmal makaberen – Humor für sich zu nutzen. Gerade Felix und Alison sind immer für einen guten Spruch oder eine abgedrehte Aktion gut.
Nach wie vor bemerkenswert ist die Leistung der Hauptdarstellerin Tatjana Maslany, welche den Klonen einen jeweils so einzigartigen Charakter verleiht, dass man völlig vergisst, dass sie die Serie zu großen Teilen alleine stemmt. Da fällt es auch kaum ins Gewicht, dass ich ihr den männlichen Klon Tony nicht ganz abgenommen habe. Ich sehe ein, dass es schwer ist, einer Figur ein anderes Geschlecht zu verpassen und sie dennoch so aussehen zu lassen, wie alle anderen Klone. Nichtsdestotrotz macht Orphan Black auch in Staffel 2 mindestens genauso viel Spaß wie in Staffel 1 und ich möchte die Serie jedem Serienfreund ans Herz legen. Momentan kann man sich beide Staffeln komplett und kostenlos auf MyVideo anschauen (Staffel 1 übrigens auch in der Originalversion!).
Genieße die freie Zeit die du hast und mach genau was du geschrieben hast, nämlich die Dinge, die du gerne machst. Viel zu schnell kommt wieder die Zeit, dass plötzlich dafür keine Zeit mehr ist.
Ich freue mich darauf in ein paar Monaten (hoffentlich) dann auch Zeit zu haben sodass ich mir ein paar der Serien, die du hier vorstellst auch ansehen kann. Derzeit geht da bei mir da gar nichts.
Lg Ingrid
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Liebe Ingrid,
danke für deine netten Worte! Ich sehe es ja inzwischen auch so, dass ich die Zeit einfach für mich nun nutzen sollte und mich nicht verrückt machen muss. Mal sehen, ob das nächstes Wochenende besser klappt. Ich werde mir Mühe geben. 🙂
Ich wünsche dir, dass du auch bald ein bisschen Zeit für all die Dinge hast, die du gern tust. Und wenn es „nur“ Zeit zum Serienschauen ist…
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Empfindest du Helena wirklich als skrupellos? Ich finde vorallem in der 2. Staffel bekommt man auf emotionaler Ebene richtig Zugang zu ihr, so dass ich das Wort als ziemlich hart empfinde.
Und bei Tony hatten sie sich doch in die Transgenderecke gerettet, wenn ich mich entsinne, was das ganze auch für mich plausibler und authentisch machte.
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Helena ist sehr konsequent in allem was sie tut, finde ich. Und das kommt manchmal skrupellos rüber. Aber du hast absolut recht: In Staffel 2 habe ich mich auch mehr auf die Figur einlassen können und inzwischen ist sie einer meiner Lieblingsklone. Einfach ein spannender Charakter!
Die Geschichte um Tony habe ich nach wie vor nicht so ganz verstanden. Mann oder Frau oder Transgender – mich verwirrt das ein bisschen. Da muss ich wohl Staffel 3 abwarten für ein paar Antworten…
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Ich liebe ihre Gesangsszene im Auto und ihren Anbandelungsversuche, dabei fand ich sie in der ersten Staffel so nervig. Lustig, wie schnell einem Charaktere ans Herz wachsen können.
Stimmt, ich bin auch gespannt wie es mit Tony weitergeht. Wobei es ein bisschen wie ein spontaner, einmaliger Gag wirkte.
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Stimmt, die Gesangsszene war toll! 🙂
Was aus Tony werden soll, weiß ich auch nicht. Für mich passt die Figur nicht so richtig rein. Aber das hab ich bei Helena ja auch erst gedacht…
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Meine Situation ist die gleiche 😉 Nur habe ich meine Zeit mit „The Walking Dead“ verbacht… aber in Orphan Black möchte ich auch unbedingt mal reinschauen!
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Hallo liebe „Leidensgenossin“! 🙂
The Walking Dead…ja, das steht auch immer noch auf meiner Liste. So wie tausend andere Serien. 😉
Aber Orphan Black kann ich dir nur ans Herz legen – eine sehr spannende Ablenkung vom Alltag…
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Steht auch ganz oben auf meiner Liste! Vor allem seitdem mich The Walking Dead richtig nervt 😉
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Eine exorbitant lange Einleitung für eine sehr gute Serie… 🙂
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Ja, ich konnte mich nicht so richtig entscheiden, ob es ein „Jammer“-Beitrag oder eine Serienreview werden sollte…irgendwie ist es dann beides geworden. 😀
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Immer noch eine überragend gute Serie und wenn ich könnte, würde ich Tatiana Maslany gerne mit Preisen überschütten! Aber ich fand Staffel 2 doch einen gehörigen Tick schwächer als Staffel.
Die Wendungen waren natürlich wie immer gut, aber ich finde, dass die Serie zu wenig Fortschritte macht. Es gibt zuviele Leute, die hier was wissen und die trotzdem die ganze Zeit die Klappe halten.
Das mit den männlichen Klonen war wirklich ein großartiger Twist. Aber ich habe mich schon von Anfang an so ein wenig gefragt „Warum gerade Frauen?“ Auch wenn das jetzt irgendwie falsch klingt. Bei Klonen denke ich immer schnell an Supersoldaten und frage mich, ob das nicht eher der erste Gedanke gewesen wäre. Und jetzt … ja. Hat sich erledigt meine Frage. Aber warum die weiblichen Klone, die nicht mal Kinder bekommen können? Das klang schon wieder so falsch …
aber du verstehst mich bestimmt trotzdem, oder? 😉
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Ich versteh dich, ich hab auch manchmal Wortfindungs- oder Formulierungsschwierigkeiten…passiert den Besten. 😉
Bei Staffel 2 sind wir uns dann ausnahmsweise mal nicht einig. Ich fand die Staffel genauso gut wie die erste. Vielleicht auch, weil ich mir gar nicht die Fragen stelle, die du dir stellst…hoppla…
Ich hab das einfach so hingenommen, dass die Klone Frauen sind und eigentlich keine Kinder kriegen können. Das mit den Supersoldaten macht natürlich Sinn und ist ja nun auch irgendwie wahr geworden. Aber vielleicht gab es bei den weiblichen Klonen eher Interesse an soziologischen Fragen? Z. B. wie sich Klone in unterschiedlichen Umfeldnern entwickeln? Das passt ja dann dazu, dass alle getrennt aufwuchsen und dafür ist das Geschlecht auch egal…tja, das werden wir wohl nicht erfahren. Oder erst in Staffel 3. 😉
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Oh ja, wirklich eine sehr lange und persönliche Einleitung. Ich mag das, weil es eben auch stark auf die vorgestellte Serie reflektiert und man mit der Zeit lernt die Kritikerin und ihre Meinung richtig zu deuten. Toll!
Zur Serie: Ja, klingt auch wieder fantastisch, doch ich habe gerade mit „The Wire“ angefangen und bin da erst einmal total hooked… 😀
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Oh – du hast „The Wire“ angefangen! Hervorragend! Ich seh schon, mir stehen diskussionsreiche Wochen bevor: Du schaust „The Wire“, Wortman guckt „Fringe“… 😉
Die Einleitung war übrigens ein bisschen ein Zufallsprodukt. Aber schön, dass sie dir gefällt. 🙂
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Könnte mich das interessieren? So langsam kennst du ja meine Serienvorlieben 😉
Genau… genieß die freie Zeit. Irgendwann ist sie vorbei 😉 Wie du schon sagtest, mehr als schauen und suchen kannst du derzeit nicht machen. Also hör auf, dich verrückt zu machen. Gut Ding will Weile haben… auch wenn Weile teilweise länger dauert 😉
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Genau, gut Ding will Weile haben! Das werde ich mir merken. 🙂
Joa, ich denke schon, dass dir Orphan Black gefallen könnte. Ist spannend gemacht, geht aber lange nicht so sehr in die Mystery/Sci-Fi-Richtung wie Fringe. Und damit bist du ja erstmal noch ein bisschen beschäftigt, wie ich das sehe… 😉
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Wie gesagt, die Weile kommt dann schon. Da kann ich ein Lied von singen, meine Maus und ich kenne einige, die teilweise recht lange warten mussten.
Ja, bin erstmal mit Fringe beschäftigt. Außerdem gehts im Feb mit Walking Dead weiter und im april startet die 5. Staffel Game of Thrones 🙂 Bis dato muss ich mit Fringe durch sein… größtenteils… denke ich 😉
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Ich lasse alles auf mich zukommen. Irgendwann komme ich schon irgendwo unter. 😉
Ich seh schon, du bist serientechnisch gut beschäftigt in nächster Zeit. Bis April hast du Fringe aber locker durch. 🙂
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Klar kommst du irgendwo unter 🙂
Mit Serie schauen bin ich erstmal beschäftigt
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Provisorisch: ORPHAN BLACK!!! ❤ ❤ ❤ ❤ ❤ *Teenie-Gekreische*
D'accord in allen Punkten, einfach nur großartig. Der Cliffhanger zu Staffel 3 war einfach brilliant mit den männlichen Klonen, hach. Und ja, man vergisst sooo oft, dass das fast alles Tatiana ist! Sie wird so heftig verändert, imitiert Akzente hervorragend und stellt die unterschiedlichen Charaktere so gut dar, das ist unfassbar.
So. Fasst wollte ich dir jetzt meine grenzenlose Sympathie aussprechen, aber "Zum Glück kann ich essen, was ich will, ohne zuzunehmen […]" hat alles zunichte gemacht. TZÜ!
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Ich entschuldige mich hiermit in aller Form für meinen Stoffwechsel… 😉
Immerhin sind wir uns wenigstens bei Orphan Black einig!
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