Der geneigte Leser hat vielleicht mitbekommen, dass die Person hinter diesem Blog zwar viele TV-Serien schaut und darüber schreibt, aber nebenbei – im richtigen Leben sozusagen – im vergangenen Jahr auch ein Studium der Germanistik und Romanistik beendet hat. Ein Masterstudium, wenn wir genau sind. Wenn wir ganz genau sind sogar zwei, denn neben dem Abschluss, der zu brotloser Kunst befähigt (M.A.), war der Sicherheitsgedanke der Antrieb für den zusätzlichen Abschluss eines Lehramtsstudiums (M.Ed.).

Entscheidungen zu treffen war also noch nie meine Stärke, was sich ja schon an den beiden Abschlüssen zeigt. Ich halte mir gerne alles offen, zumindest beruflich. „Toll“, könnte man jetzt sagen, „die hat ja tausend Möglichkeiten jetzt“. Lasst euch gesagt sein: Die habe ich nicht. Und genau dieser Umstand führt mich dazu, dass ich seit einiger Zeit darüber nachdenke, was in meinem Leben Priorität haben soll. Die Frage nach dem „Müssen“ und dem „Wollen“ ist dabei eine zentrale, habe ich festgestellt.

Job, Privatleben, Geld – das sind die drei Faktoren, die bei meinen Überlegungen zum „Müssen“ und „Wollen“ eine Rolle spielen müssen. Klar will ich einen Job, der mir Spaß macht, mich fordert und erfüllt. Wäre auch gut, wenn er einigermaßen anständig bezahlt ist, denn auch ich habe Rechnungen zu begleichen. Dennoch sollte auch noch Zeit sein für die bessere Hälfte und die Familie. Über so etwas wie Elternzeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie (wer weiß, vielleicht möchte ich in drei, vier Jahren ein Kind haben?) reden wir hier lieber gar nicht erst, sonst wird es noch ungleich komplizierter.

Diese drei Dinge – Job, Geld, Privates – sind nun untrennbar miteinander verknüpft. Ich will arbeiten, denn ich brauche eine Aufgabe und möchte etwas Sinnvolles tun in meinem Leben; ich habe schließlich nicht umsonst studiert. Ich muss auch arbeiten, denn ich brauche das Geld. So weit, so gut, so selbsterklärend. Hier gehen „Wollen“ und „Müssen“ noch Hand in Hand, sind gute Freunde sozusagen.

Nun gut, ich gebe zu, dass ich zwei Fächer studiert habe, die Arbeitgebern gemeinhin keine Begeisterungsstürme entlocken. So viel habe ich schon gemerkt. Mein ursprünglicher Plan – eine halbe Stelle an der Uni ergattern und dann promovieren – ist, so viel weiß ich inzwischen auch, ebenfalls kaum realisierbar. Das hat mehrere Gründe. Diese Stellen sind extrem rar; diese Stellen werden zumeist extrem spezifisch ausgeschrieben (so a la „Bewerber sollten sich im Studium nachweislich ausführlich mit X, Y und Z (hier drei völlig unbekannte Fachgebiete einsetzen) befasst haben und zu Thema X promovieren wollen“ – ja genau!); diese Stellen sind oftmals auf sehr kurze Zeit befristet und werden gerne auch nur aus Drittmitteln finanziert, deren kurz- und längerfristige Bewilligung noch keinesfalls sicher ist.

Hinzu kommt, dass die Berufsaussichten nach der Promotion auch nicht wesentlich besser sind. Wäre dies der Fall, würde ich einfach in den sauren Apfel beißen, mir ein Stipendium organisieren und so schnell wie möglich den Doktor vor meinen Namen setzen. So einfach ist das aber nicht. PostDoc-Stellen sind beinahe ebenso selten, ebenso befristet und ebenfalls nicht toll bezahlt. Erst als Professor hat man dann ausgesorgt, aber dann ist man meist schon vierzig und hat bis dahin an circa fünf bis neun deutschen Unis mal hier, mal dort sein unterbezahltes Dasein gefristet.

Und wer schafft es schon in den Professorensessel? Die Wenigsten. Frauen sowieso schon nicht. Hier gehen „Wollen“ und „Müssen“ dann für mich das erste Mal nicht mehr Hand in Hand. Ich würde gerne promovieren, ich würde gerne an der Uni arbeiten, forschen und auch lehren. Das würde mir Spaß machen und ich bin mal so vermessen zu behaupten, dass ich beides – forschen und lehren – auch ganz gut könnte. Hey, auf meinem Masterzeugnis steht ein „sehr gut“ und ich habe zusätzlich auch noch Lehramt studiert und mich mit Didaktik und Methodik beschäftigt! Aber will und muss ich die Begleitumstände – dauerhaft wenig Geld, Jahre am Schreibtisch, Nomadentum, ungewisse Zukunftsaussichten – in Kauf nehmen? Nein, eigentlich nicht.

Ach, wem lüge ich hier eigentlich etwas vor: Nein, das will ich definitiv nicht. Nach entbehrungsreichen Jahren während des Studiums – ich habe 5 1/2 Jahre Bafög bekommen und ab und an (!)  mal eine kleine milde Gabe von meinen Eltern – mag ich nicht noch weitere drei bis 15 Jahre am Hungertuch nagen. Irgendwo zwischen Masterarbeit und zwei Nebenjobs ist mir mein wissenschaftlicher Idealismus abhanden gekommen in den letzten Monaten. Sicherlich trägt auch meine veränderte private Situation dazu bei. Zum ersten Mal seit langer Zeit stelle ich mir die Frage, ob Arbeit wirklich wichtiger ist als privates Glück und ob Letzteres Ersterem immer untergeordnet werden muss. Und wenn ja: Wer zur Hölle hat eigentlich beschlossen, dass das so sein muss?

Fakt ist: Für einen Job an einer Uni müsste ich auf jeden Fall das Bundesland wechseln. Meine bessere Hälfte würde dann hier zurückbleiben; einen unbefristeten Vollzeitjob, den man liebt, kündigt man nicht so einfach. Okay, kann man sagen, viele Leute haben eine Wochenendbeziehung. Wir können aber nicht einmal das haben. Der Mann ist Koch und arbeitet jedes Wochenende. Jedes, ohne Ausnahme. Samstag und Sonntag jeweils von ca. 8.30 Uhr bis mindestens 22.30 Uhr (mit zwei Stunden Pause am Nachmittag). Er arbeitet auch an allen Feiertagen, denn dann möchten die Menschen ganz besonders gerne essen gehen, am liebsten mittags und abends. Fakt ist: Wenn ich wegen eines Jobs wegziehe, kann ich die Beziehung auch gleich beenden. Sehen können wir uns dann nämlich nicht mehr.

Und das ist dann der Punkt, an dem „Müssen“ und „Wollen“ für mich überhaupt nicht mehr zusammenpassen. Klar muss ich arbeiten und klar will ich arbeiten, aber ich gebe dafür nicht mein privates Glück auf, um jedes Semester an einer anderen Uni in einer anderen deutschen Stadt mein unstetes Dasein zu fristen. Nicht, nachdem ich so lange danach gesucht habe und in den letzten Monaten so glücklich war wie noch nie. Nicht für eine ungewisse berufliche Zukunft, von der ich selbst nicht mehr überzeugt bin. Die mir außer wenig Geld und einsamen Jahren am Schreibtisch wenig Kontinuität bietet. Und die vermutlich in dem Moment vorbei ist, in dem ich eine Familie gründe.

Ich habe beschlossen, dass ich das nicht muss. Ich muss nicht alles, was ich liebe und was mir wichtig ist für einen Job aufgeben. Es ist mein Leben und keiner hat darüber zu bestimmen und zu urteilen, was ich damit anfange. Nur ich ganz alleine.

Das „Dr.“ vor meinem Namen war immer mein erklärtes Ziel und auch mein Traum. Nicht, um mich damit wichtig zu machen und mir die zwei Buchstaben aufs Klingelschild oder den Personalausweis zu schreiben. Sondern um mir und ein bisschen auch manchen Zweiflern zu beweisen, dass ich es kann. Meine Eltern sind keine Akademiker. Glaubt man den Statistiken, hätte ich eigentlich nicht mal studieren dürfen. Habe ich aber, ätsch. Ich glaube dennoch inzwischen, dass mein akademischer Weg nun unfreiwillig nach dem Masterabschluss endet. Auf jeden Fall fürs erste (never say never…). Gerne würde ich ihn weitergehen, aber nicht unter den oben erläuterten Umständen.

Die Jobsuche verlagert sich nun also auf andere Bereiche und wird dominiert von einem großen, positiven und optimistischen „wollen“. Das Wort „müssen“ kommt erst sehr viel später.