Heute komme ich völlig von meinen ansonsten bevorzugten Themen ab und widme mich einem Phänomen, das mir seit ein paar Wochen Unbehagen bereitet und mich teilweise auch wütend macht. Es geht dabei um Verhaltens-, genauer gesagt Lebensweisen einiger Geschlechtsgenossinnen aus meinem Arbeits- sowie Freundesumfeld.

Vorher zwei Dinge: Was ich hier schreibe, soll in keinster Form verallgemeinernd sein und beruht lediglich auf Beobachtungen, die ich gemacht habe. Zudem empfinde ich Sympathie für die hier beschriebenen Personen, was die Sache noch schwieriger für mich macht. Gerne würde ich sie mal schütteln oder ihnen gehörig die Meinung geigen. Nichtsdestoweniger bleibt es jedem selbst überlassen, wie er sein Leben gestaltet, weshalb ich mir bislang auch immer auf die Zunge gebissen habe, weil ich nicht finde, dass ich das Recht dazu habe, mich einzumischen. Ich möchte ja auch nicht, dass mir jemand sagt, wie ich zu leben habe. Trotzdem muss ich jetzt einfach mal ein bisschen Dampf ablassen.

Der Aufreger, um den es hier geht, ist schnell erklärt: Es geht um die Tatsache, dass gebildete Frauen meines Alters sich finanziell abhängig machen von einem Mann – sei es nun ihrem Angetrauten, bald Angetrauten oder Freund. Ich raff’s einfach nicht, wie man das als emanzipierte Frau (auf Dauer) ertragen kann. Ja, sind wir denn noch in den Fünfzigern?

Mag sein, dass es damit zusammenhängt, dass ich Single bin und auch noch nie eine Beziehung hatte, in der einer für den anderen finanzielle Verbindlichkeiten übernommen hat. Ich lebe allein, ich bekomme kein Bafög mehr und muss für meinen Lebensunterhalt inzwischen arbeiten. Reiche Verwandte? Dickes Sparbuch? Fehlanzeige. Wenn ich nicht arbeite, kann ich wie jeder normale Mensch meine Rechnungen nicht bezahlen – so einfach ist das. Das ist auch okay, was soll ich zu Hause sitzen und mich langweilen? Das ist auch nicht mein Ding. Ich bin jung, ich bin gesund, ich habe bald (hoffentlich) mein Studium beendet und werde einen adäquaten Job finden – alles in Ordnung. Diese Einstellung teilen andere in meinem Umfeld irgendwie nicht.

Fall 1: Eine liebe Freundin von mir lebt mit Mann und Kind (fast 5) zusammen und hat Anfang des Jahres ihr Lehramtsstudium beendet. Unfassbar beeilt hat sie sich, damit sie die Bewerbungsfrist fürs Referendariat (01.04.) noch schafft. Dennoch ist sie leer ausgegangen und hat zum 01.08. keinen Platz bekommen (Schleswig-Holstein ist halt pleite). Finanziell steht ihre Familie relativ bescheiden da, ihr Mann verdient in seinem Vollzeitjob nicht gerade rosig. Die liebe Freundin bessert die Haushaltskasse durch zwei winzig kleine Putzjobs auf, mit denen sie so etwa auf 200 Euro im Monat kommt.

Seit April ist dies alles, was sie tut: An zwei Tagen die Woche ein bisschen putzen. Trotz Ankündigung, sich einen 450 Euro-Job suchen zu wollen, hat sie dies nicht getan. Ihre Tochter geht jeden Tag acht Stunden (!) in die Kita, daran scheitert es also nicht. Nein, ihr Mann hat gesagt, sie solle sich doch ein bisschen entspannen nach dem ganzen Unistress und müsste auch nicht arbeiten. Nochmal: Die finanzielle Situation ist nicht die Beste und sie hat einen Masterabschluss! Dennoch: Ausufernde Spielenachmittage und Kaffeedates mit anderen Müttern füllen nun seit Monaten ihre Tage. Sie ist glücklich damit. Die Rechnungen können auch so irgendwie bezahlt werden, irgendwann wird sie einen Ref-Platz bekommen (auf den sie schon gar keine Lust mehr hat, wie sie sagt) und bis dahin leben sie halt so weiter.

Man mag mir vorwerfen, dass ich kein Kind habe und es vielleicht nicht verstehen kann, für ein solches verantwortlich zu sein. Mag sein, dass die liebe Freundin nun das Gefühl hat, sie müsste kompensieren, dass sie in den letzten Monaten wenig Zeit für die Kleine hatte. Aber: Das Kind wird jeden Tag acht Stunden betreut, was sie und ihr Mann (also ihr Mann…) teuer bezahlen. Als Frau hätte ich deshalb das dringende Gefühl, auch etwas mehr zur Haushaltskasse beisteuern zu müssen. Außerdem würde mir eine Aufgabe fehlen, was weit schlimmer ist. Ihr scheinbar nicht. Warum mich das so aufregt, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber jedes Mal, wenn wir zwei versuchen einen Termin für einen Kaffee oder ähnliches zu finden, scheitert es daran, dass sie bereits verabredet ist oder ich arbeiten muss. Meistens allerdings an ersterem. Insgeheim frage ich mich, ob ich vielleicht ganz tief drinnen neidisch bin, dass Frau auch durchs Leben kommt ohne zu arbeiten, wenn sie sich nur einen Mann sucht, der’s finanziert.

Fall 2: Fall 2 ist eine wirklich liebe Kollegin, die verheiratet ist und zwei Kinder hat (Grundschulalter). So wie ich arbeitet sie als Aushilfe auf 450 €-Basis, ist dabei immer supergründlich und hilft auch jederzeit uns anderen Kolleginnen. Ich mag sie gerne. Finanziell ist sie trotz des Jobs natürlich völlig von ihrem Mann abhängig, denn nicht einmal das 450-Euro-Pensum macht sie voll mit ihren neun Stunden pro Woche. Dennoch hat sie damit überhaupt kein Problem und nicht den Wunsch oder den Elan, sich beruflich umzuorientieren. Neulich erzählte sie mir, sie würde ihren Lohn, der uns Aushilfen immer bar ausgezahlt wird, manchmal erst Mitte des Monats im Büro abholen. (Ich frage bereits am ersten des Monats direkt am Morgen danach und bin wenig begeistert, wenn es dann heißt, der Steuerberater hätte die Abrechung erst nachmittags fertig, wenn ich längst wieder zu Hause bin.) Außerdem hätte ihr Mann gerade den Urlaub fürs nächste Jahr gebucht. In Dänemark. Sie hätte zwar nach Fehmarn gewollt, aber: „Naja, er soll den Urlaub ja auch bezahlen, dann fahren wir eben nach Dänemark.“. Zu solchen Sätzen kann ich schlichtweg nichts mehr sagen.

Okay, könnte man argumentieren, in Fall 2 haben sich Männlein und Weiblein eben – wie irgendwie inzwischen auch in Fall 1 – darauf geeinigt, dass Männlein das Geld nach Hause bringt und Weiblein nur ein klitzekleines bisschen hinzuverdient und ansonsten Haushalt und Kinder beackert. Was mich daran erschreckt, ist die Tatsache, dass es sich in beiden Fällen um Frauen meines Alters handelt und um Frauen, die eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. Kinder können doch nicht der einzige Grund sein, sich so von einem anderen Menschen abhängig zu machen und auch seine eigenen beruflichen Ambitionen aufzugeben! Das geht einfach nicht in meinen Kopf.

Klar verschieben sich mit einem Kind die Prioritäten, aber welches Vorbild bin ich denn als Frau für meine Kinder, wenn ich nicht oder nur extrem wenig arbeite? Was lebe ich meinen Kindern, gerade meinen Töchtern, denn damit vor?

Dass es normal ist, als Frau finanziell nicht alleine überleben zu können.

Dass zur finanziellen Absicherung zwingend ein Mann vonnöten ist.

Dass es okay ist, sich abhängig zu machen.

Dass es okay ist, die eigenen Talente nicht angemessen umzusetzen.

Ich rede hier nicht davon, dass Mütter direkt nach der Geburt wieder arbeiten sollten (wobei das besch… Betreuungsgeld so schnell wie möglich wieder abgeschafft gehört – das setzt ja nun wahrlich falsche Akzente!) oder Vollzeit arbeiten müssen. Mir ist klar, dass gerade letzteres oft an fehlenden Betreuungsmöglichkeiten scheitert und ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn man als Frau – unabhängig vom Bildungsgrad – sein Baby/Kleinkind eine Zeitlang selbst betreuen möchte. Es erschreckt mich nur, wie widerstandslos sich gebildete Frauen immer noch in die dauerhafte finanzielle Abhängigkeit von einem Mann pressen lassen und glücklich damit sind. Und letzteres ist das wirklich Schockierende dabei.

Da frage ich mich manchmal, ob mit mir etwas nicht stimmt. In meiner Familie arbeiten alle Frauen, meine Mutter hat immer gearbeitet. Nach meiner Geburt nie wieder Vollzeit, aber immer Teilzeit (nicht Minijob!). Als ich ein Kleinkind war, als meine Schwester ein Kleinkind war, immer. Weil sie ihr eigenes Geld verdienen wollte und will; weil sie einen Beruf gelernt hat und ihn gerne macht; weil mein Vater auch kein Hausmütterchen will („Dann hätte er mich nicht geheiratet“, wie mein Mutter zu sagen pflegt); weil meine Eltern auch nicht Krösus sind. Das alles hat wohl Spuren hinterlassen bei mir, was mir gerade in letzter Zeit klar geworden ist. Ich habe zwar sowieso keine Wahl und keinen Mann, der mein Leben finanziert, aber es fühlt sich dennoch gut an, am Ende des Monats selbst dafür gesorgt zu haben, dass alle Rechnungen bezahlt sind und der Kühlschrank voll ist. Danke, Mama.