Im Laufe der Jahre sind mir so einige Serienfamilien ans Herz gewachsen. Zum Beispiel die Tanners und ihr knuffelig-zynischer Außerirdischer mit Vorliebe für gebratene Katzen (Alf). Auch die Bishops und ihr Leben zwischen Paralleluniversen und wechselnden Zeitlinien (Fringe). Zudem die Gilmores mit ihrem enormen Kaffeekonsum und ihrer liebenswürdigen Schrulligkeit (Gilmore Girls). Nicht vergessen möchte ich auch die Cohens in ihrer gar nicht perfekten reiche-Leute-Welt (The O.C.). Und natürlich sind auch die Sopranos und ihr Mafiaclan eine Erwähnung wert (The Sopranos). Nun reiht sich eine neue Familie in diese Liste ein: Es handelt sich um die Fishers und ihr manchmal morbides Leben zwischen Liebe und Leichen in der HBO-Serie Six Feet Under.

(Achtung, der Rest dieses Beitrags ist nicht spoilerfrei!)

Die Fishers – das sind Mutter Ruth (Frances Conroy), Vater Nathaniel (Richard Jenkins) sowie die Söhne Nate (Peter Krause) und David (Michael C. Hall) und Tocher Claire (Lauren Ambrose). Vater Nathaniel führt zusammen mit seinem jüngeren Sohn David das Familienunternehmen – ein Bestattungsinstitut in Los Angeles. Der Zuschauer jedoch lernt Nathaniel eigentlich gar nicht richtig kennen. Den Ausgangspunkt der Familiensaga bildet nämlich sein Tod – und das auch noch ausgerechnet an Heiligabend. Bei einer Ausfahrt mit dem brandneuen Leichenwagen wird Nathaniel von einem Bus gerammt und stirbt.

Nun gut, es ist Heiligabend. Nate, der in Seattle lebt und mit Bestattungen so gar nichts am Hut hat, kehrt in Erwartung entspannter Feiertage in seine Heimatstadt zurück. Während des Flugs lernt er eine Frau namens Brenda kennen, mit der er direkt nach der Landung zunächst ein Schäferstündchen am Flughafen vollzieht. Kann man ja mal machen. Nach dem Tod seines Vaters jedoch ändert sich Nates Leben schlagartig, denn nicht David erbt das Familienunternehmen allein, sondern auch Nate erbt 50 %. So stehen sie nun vor der Entscheidung, Fisher & Sons entweder gemeinsam zu führen oder die Firma an eine große Kette, Kroehner International, zu verkaufen. David, der seinen Traum vom Jurastudium nie verwirklicht hat, um stattdessen seinem Vater im Familienunternehmen zur Seite zu stehen, ist zunächst erbost darüber, dass Nate ebenfalls einen Teil des Geschäfts erben soll und ihn nun zum Verkauf drängen will. Zudem hat David ein Geheimnis, das er mit sich herumträgt und das ihn zunehmend belastet: Er ist schwul, traut sich aber nicht, seiner Familie davon zu berichten und ihnen seinen Freund Keith vorzustellen.

Nach einiger Zeit beschließen Nate und David trotz aller Querelen, die Firma nicht zu verkaufen, vor allem, weil sie die Geschäftsmethoden von Kroehner International verachten. So sortieren alle Beteiligten ihr Leben neu und versuchen, sich mit der Situation so gut es geht zu arrangieren. Nate zieht wieder bei seiner Familie ein, beginnt mit David zusammenzuarbeiten und fängt schließlich eine Beziehung mit Brenda an. David gewöhnt sich zunehmend an Nates Anwesenheit und gemeinsam tun sie alles, um zu verhindern, dass Kroehner International ihr Familienunternehmen zerstört. Außerdem geht es in Davids Liebesleben zeitweise drunter und drüber, als er nach der zeitweiligen Trennung von Keith u.a. eine – für den Zuschauer sehr unterhaltsame – Disco-Partyphase inklusive Ecstasy-Konsum durchlebt.

Die beiden Brüder stehen im Zentrum der Erzählung, aber auch Mutter Ruth und Schwester Claire sollten nicht vergessen werden. Ruth tröstet sich über den Verlust ihres Ehemannes mit einem Mann namens Hiram hinweg, mit dem sie bereits seit einiger Zeit eine Affäre hatte. Dennoch lösen die neuen Entwicklungen in ihrem Hause auch in Ruth den Wunsch nach Veränderungen aus und sie beginnt, in einem Blumenladen zu arbeiten, dessen Besitzer Nikolai sie zudem heftigst umwirbt – ein Werben, dem sie letztlich auch nachgibt und Hiram in die Wüste schickt. Claire schließlich, das jüngste Kind der Fishers und ein eher untypisches Teenie-Mädchen, schlägt sich dennoch mit typischen Teenagerproblemen herum (Schule, Freunde, Drogen, Zukunft).

Tja, und dann wäre da noch Nathaniel. Nathaniel, der in der Pilotfolge stirbt. Dies ist jedoch nicht das Ende seiner Figur in Six Feet Under, ganz im Gegenteil. Im Laufe der Serie taucht Nathaniel immer mal wieder im Leben seiner Familie auf, zumeist in Träumen und so etwas wie Visionen. Außerdem gibt es gelegentlich Rückblenden auf das Familienleben vor seinem Tod. Dem Zuschauer wird schnell klar, dass der Verlust des Vaters und des Firmenchefs etwas ist, das den anderen Familienmitgliedern mehr zusetzt, als es manchmal den Anschein hat. Sehr deutlich wird dies am Ende der zweiten Staffel, wenn sich Nathaniels Todestag zum ersten Mal jährt und alle auf den Moment zurückblicken, an dem sie ihren Vater bzw. Ehemann das letzte Mal lebend gesehen haben. Zudem ist Nathaniel untrennbar mit dem Bestattungsunternehmen Fisher & Sons verknüpft und die Liebe zu seiner Firma kann als einer der Hauptgründe dafür angesehen werden, dass David und Nate sich schlußendlich zusammenraufen und dieses weiterführen. Durch Nathaniels Tod und seine Entscheidung, beide Söhne als Erben einzusetzen, beginnt die Familiengeschichte letztlich erst – dies ist das Ereignis, das die Familie wieder zusammenführt und gewissermaßen den Startpunkt für alles weitere (Nates Rückkehr nach LA, Davids Outing, Ruths neues Selbstbewusstsein, Claires Liebe zur Kunst…) bildet.

Die einzelnen Folgen beschäftigen sich also vor allem mit den Leben der einzelnen Familienmitglieder – hier finden sich vier Handlungsstränge, die sich im großen Haus der Fishers, in dem gelebt und gearbeitet wird, mal mehr, mal weniger kreuzen. Hinzu kommen die Geschichten um Federico, den Angestellten bei Fisher & Sons, der gut und gerne auch als der „dritte Bruder“ bezeichnet werden kann. Jede Folge zeigt zudem das täglich Brot der Fishers: Beerdigungen und alles, was damit zu tun hat. Am Episodenanfang wird dem Zuschauer jedes Mal gezeigt, wie eine ihm nicht bekannte Figur stirbt. Der Name der Figur und ihr Geburts- und Todesjahr werden kurz eingeblendet, bevor die Folge mit einer Szene aus dem Leben der Fishers fortsetzt. Es ist allerdings gewiss, dass der gezeigte Tote auf seiner letzten Reise eine Zwischenstation bei den Fishers einlegen und man ihn oder sie auf Federicos Präpariertisch oder im Sarg sehen wird. Der Tod ist somit ein Thema, das die Serie (und das Leben der Figuren) von Anfang bis Ende durchzieht.

Nun könnte man annehmen, dass Six Feet Under deswegen eine sehr traurige Serie ist. Ist sie aber nicht. Natürlich gibt es Momente, die dem Zuschauer nahe gehen und nachdenklich stimmen. Dennoch hat die Serie für mich eine schwer beschreibbare positive Grundstimmung, was besonders an den liebenswürdigen Figuren und dem teilweise wirklich zynischen Humor liegt. Ich kenne keine Bestatter, deshalb kann ich nicht beurteilen, ob diese Art des schwarzen Humors typisch für Angehörige dieser Berufsgruppe ist. Dennoch ist es gut vorstellbar, dass er als eine Art Selbstschutz fungiert, um die tägliche Begegnung mit Toten und Trauernden nicht zu sehr an sich heranzulassen (kleiner Anfall von Laienpsychologie…). In Six Feet Under funktioniert dieser Humor auf jeden Fall gut, vor allem auch, weil er nie in die Geschmacklosigkeit abdriftet. Hier wird sich nicht über Tote lustig gemacht, sondern höchstens über die bizarren Situationen, die sich ergeben, wenn eine Bestatterfamilie im selben Haus lebt, in dem sie auch arbeitet und ihre „Kunden“ aufbewahrt. Six Feet Under zeigt zudem auch eine andere Seite des Sterbens, die der normale Mensch vielleicht erahnt, aber nicht explizit zu Gesicht bekommt: Sie zeigt, dass der Tod ein Geschäft ist – und zwar ein Geschäft wie jedes andere, bei dem es letzlich immer auch ums Geld geht. Auch die Fishers kämpfen mit ihrem kleinen Betrieb oft genug ums Überleben und um jeden Kunden, versuchen aber dennoch, sich durch Individualität vom verhassten Marktführer Kroehner International abzugrenzen.

Als kleines Fazit nach zwei Staffeln (von fünf) bleibt festzuhalten, dass Six Feet Under eine unterhaltsame und durchaus auch innovative Familienserie ist, mit der ich am Anfang etwas warm werden musste (nichts Neues – ich brauche fast immer eine Staffel dafür), ihr gegenüber nun aber sehr positiv eingestellt bin. Man sieht nicht jeden Tag eine Serie, die einen Berufszweig in den Fokus rückt, den die meisten Menschen so gut es geht vermeiden. Außerdem ist die Art und Weise, wie die Macher es schaffen, Nathaniel als Familienoberhaupt trotz seines Todes in der Pilotfolge in der Serie präsent zu halten, wirklich schlau. Die Träume und Visionen verschaffen der Serie sozusagen eine Metaebene, auf der es den Familienmitgliedern weiterhin ermöglicht wird, mit ihrem Ehemann/Vater zu interagieren. Außerdem machen die Schauspieler ihre Sache allesamt sehr gut; ich bin ja seit Dirty Sexy Money ein kleiner Fan von Peter Krause, aber auch Michael C. Hall ist durchaus zu loben (ja, irgendwann werde ich mir Dexter auch noch angucken…). Mir macht Six Feet Under inzwischen richtig viel Spaß und ich verfolge das Familiengeschehen bei den Fishers gerne noch drei Staffeln lang weiter.