Wie in meinem letzten Post angekündigt, habe ich mir dieses Wochenende einen schreibtischfreien Samstagvormittag verordnet. Was gibt es da besseres, als sich mal wieder mit alten Schulfreundinnen zu treffen? Gesagt, getan. Freundin 1, Freundin 2, Freundin 3 und meine Wenigkeit waren frühstücken. Es wurde über dies und das gesprochen. Ach ja, und was machst du so? Macht dir das noch Spaß? Und die Liebe? Ach so, na dann. Es wurde gescherzt und gelacht und dann ging man nach Hause. Alles gut, könnte man meinen. Irgendwie nicht.

Schon während des Frühstücks erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass diese Aktivität mit meinen liebsten Unifreunden mehr Spaß machen würde. Pfui. Als dann die vage Planung weiterer Treffen in Angriff genommen wurde, habe ich mich dezent zurückgehalten. Nicht nur, weil ich weder Zeit noch Geld für irgendwelche spontanen Städtekurztrips habe (Hallo?), mich nicht für den Film „Der Hobbit“ interessiere oder meine Discopartyphase schon seit Ewigkeiten vorbei ist. Nein. Erschreckenderweise war es die Aussicht auf ein baldiges erneutes Treffen in dieser Zusammensetzung.

Gibt es so etwas wie Lebensabschnittsfreunde?

Zu Schulzeiten haben wir Freistunde um Freistunde zusammen verbracht. Übernachtungen am Wochenende. Später Partys und Discobesuche. Und jetzt sitze ich mit diesen Leuten zusammen und fühle mich unwohl. Also nicht mit allen. Freundin 1 und ich kennen uns seit Kleinkindzeiten und bei Treffen mit ihr alleine werde ich mich nie so fühlen. Wahrscheinlich haben wir einfach zu viel zusammen erlebt. Freundin 2 und 3 hingegen mag ich kaum noch als Freundinnen bezeichnen.

Freundschaft hat ein Verfallsdatum, so hart das auch klingen mag. Während eines gemeinsam verbrachten Zeitabschnitts, nämlich der Schulzeit, waren wir Freundinnen. Seitdem macht jeder sein Ding, hat Kontakt gehalten zu den Leuten, die ihm wichtig waren, und viele neue Bekanntschaften gemacht bei der Arbeit, in der Uni, in der Freizeit. Tja, und Freundin 2 und 3 haben Kontakt gehalten mit Freundin 1. Aber nicht mit mir. Und umgekehrt gilt das genauso für mich. Ich glaube nicht, dass ich beide in absehbarer Zeit wiedersehen werde. Sie haben mir auch nicht gefehlt die letzten fünf Jahre.

Wird es mir mit meinen oben erwähnten liebsten Unifreunden auch so gehen? Ich wage zu behaupten: Nein. Warum nicht?

Erstens bedarf es während des Studiums bereits einer intensiveren Pflege, um aus irgendwelchen vagen Bekanntschaften in beliebigen Seminaren Freundschaften entstehen zu lassen. Jeder hat ja sein eigenes Leben, seine „alten“ Freunde, seinen eigenen Stundenplan, seinen eigenen Studienplan. All das will koordiniert und bei der Planung von Treffen berücksichtigt werden. In die Schule geht man einfach und die Freunde sind auch da. In der Uni muss man konkrete Treff- und Zeitpunkte verabreden, um sich zu sehen. Wer nicht dazu bereit ist, sich mit mir zu verabreden (Mensa, Kaffee, whatever), wird kaum je ein wahrer Freund werden können. Ist man jedoch dazu bereit, ist man flexibel und bleibt auch mal eine Stunde länger in der Uni oder fährt quer durch die Stadt, um noch Freunde zu treffen, schafft man es auch, im späteren Berufsleben diese Freiräume für Treffen oder Telefonate oder Mails zu finden. Davon bin ich überzeugt.

Zweitens trifft man an der Uni eher Gleichgesinnte. Gleich und gleich gesellt sich gern, sagt schon meine Oma. Einem Freund, der auch Germanistik studiert, muss ich nicht lang und breit erklären, wer Foucault oder was ein Morphem ist. Auch fragt er mich nicht a la „Was kann man denn damit später machen?“ nach meinen beruflichen Zukunftsplänen oder macht sich womöglich noch darüber oder über meine Studienfächer lustig. Geisteswissenschaften laden Nicht-Geisteswissenschaftler (bzw. Nicht-Akademiker) offensichtlich per se zum Lustigmachen ein. Man denkt manchmal, andere fühlen sich persönlich angegriffen, weil man so etwas „Sinnloses“ wie Germanistik studiert. Wo bleibt die moderne tolerante Gesellschaft? Freundin 2 und 3 haben sich heute nicht abfällig über mein Studium bzw. meine Zukunftspläne geäußert. Mussten sie auch nicht. Dass sie sich nicht ehrlich dafür interessieren und sie beides auch nicht nachvollziehen können, weiß ich sowieso. Spielt auch keine Rolle. Denn mehr als Randfiguren werden sie in meinem zukünftigen (Berufs-)Leben kaum sein. Das ist mir heute das erste Mal so richtig bewusst geworden. Wer weiß aber, ob der oben erwähnte Germanistikfreund und ich nicht später mal zusammen oder zumindest im selben Bereich arbeiten? Auch wenn nicht – er wird immer Verständnis für berufliche Ideen oder Probleme aufbringen können. Er hat dieselben.

Und darum hoffe ich darauf, dass ich im Studium nicht nur Lebensabschnittsfreunde a la Freundin 2 und 3 gefunden habe, sondern auch einige echte. Ich freue mich auf jeden Fall nach diesem Erlebnis mehr als je zuvor darauf, nächste Woche wieder mit ihnen Mittag zu essen o.ä.. Auch wenn ich dafür länger in der Uni bleiben oder früher hinfahren muss. Das nehme ich gerne in Kauf.