Nachdem ich neulich über Normalität sinnierte, beschäftigte mich in den vergangenen Tagen die Perfektion. Keine Sorge, dies wird kein so problembehafteter Beitrag wie der vorherige. Eher einer, der mit einer Anekdote und einer Feststellung beginnt und mit einem kleinen Loblied darauf endet, was ich in letzter Zeit perfekt fand (Spoiler: Es geht um Filme & Serien – yeah!). Los geht’s!

Wer hier in den letzten Monaten mitgelesen hat, ahnt vermutlich, dass die Anekdote sich aus einem Arztbesuch ergeben hat. Ich schwöre, ich bin mit dem Thema Kiefer/Zähne nun fast durch, aber diese eine Story habe ich noch. Letzte Woche war ich also mal wieder beim Kieferorthopäden. Der ist sehr zufrieden mit dem OP-Ergebnis, aber insbesondere auch mit sich und seiner mühseligen Arbeit an meinem störrischen Gebiss. Wir sprachen also über letzte Feinkorrekturen. Hier noch ein halber Millimeter nach vorne, da noch eine Minilücke schließen, bla bla. Dabei brachte er die Möglichkeit auf, die Form meiner oberen Eckzähne anzupassen.

Ich habe aus vielerlei Gründen keine seitlichen Schneidezähne (mehr) im Oberkiefer, sodass die Eckzähne ihren Platz eingenommen haben und genau neben den großen Schneidezähnen sitzen. Funktionell ist das überhaupt kein Problem. Ästhetisch könnte man sich daran stören, dass die Eckzähne nicht wie seitliche Schneidezähne aussehen, sondern – na ja – wie Eckzähne. Sie sind halt spitz unten. Für ein „harmonisches Endergebnis“ (Zitat KFO) könnte man diese Spitzen abschleifen und die Zähne unten abrunden. Muss man nicht, „aber dann ist das ästhetische Endergebnis eben nur 90 % und nicht 100 %“.

Mit wurde das Ganze als Option präsentiert und ich fühle mich nicht genötigt, diese Maßnahme machen zu lassen. Ich habe sie auch bereits abgelehnt. Aber man merkte sehr deutlich, wie sehr es den Arzt in den Fingern juckt, noch das letzte Bisschen an Perfektion herauszuholen. Total verständlich – wenn ich eines inzwischen weiß, dann dass es den meisten erwachsenen Patient*innen rein ums Aussehen geht. Ich allerdings hatte durch die OP allein schon so viel Veränderung im Gesicht, die ich gar nicht wirklich wollte (und mit der ich immer noch zu leben lerne), dass ich auf keinen Fall die Form meiner Zähne verändern lassen werde. Keine Chance. Mit Pech beginnt dann nämlich die ganze „Bin ich das noch im Spiegel?“-Dramatik von vorn. Ich mag meine Schneide-Eckzähne, sie sind mir vertraut und auch eine Art Anker in die Vor-OP-Zeit.

Es tut mir ein wenig leid für den Arzt, dass ich nun nicht als Patientin mit dem perfekten Ergebnis in die Praxisgeschichte eingehen werde und dass Zahnärzt*innen bei meinem Anblick immer sofort wissen werden, dass 12 und 22 eigentlich 13 und 23 sind. Für mich sind 90 % Endergebnis in diesem Fall aber mehr wert als 100 %. Das zeigt mir, dass Perfektion nicht immer richtig ist. Und ich habe wieder mal gemerkt, dass ich Entscheidungen nur auf zwei Arten treffen kann: Sofort, konsequent und ohne den geringsten Zweifel daran (wie hier) – oder gar nicht. 😀

Meine Reise zum nicht-perfekten Gebiss geht nun also auf die letzte Etappe. Auf dem mühseligen Weg dahin haben mich in den letzten Monaten aber durchaus Dinge begleitet, die ich ziemlich perfekt – oder zumindest sehr gut fand. Man glaubt es kaum, aber ich meine Filme, Serien und Musik (Hand hoch, wer sich noch daran erinnert, wie ich früher mindestens wöchentlich darüber schrieb!). Ich dachte, ich teile mal einige meiner Favoriten aus der ersten Jahreshälfte 2024.

Filme

  • All of us strangers: Habe geweint am Ende. So sentimental. So traurig. So viel Einsamkeit. Andrew Scott und Paul Mescal sind fantastisch.
  • American Fiction: Habe ich erst nach den Oscars gesehen und war extrem angetan davon. Die Story ist eine fast böse Satire auf den Literaturbetrieb und darauf, was als „hohe“ Literatur gehypt wird. Jeffrey Wright als frustrierter Autor ist einfach toll. War super.
  • Der Baader-Meinhof-Komplex: Warum habe ich den nicht früher gesehen? Ziemlich lange Laufzeit, aber es gibt eben auch viel zu erzählen.
  • Fight Club: Ja ja, man darf nicht über Fight Club sprechen, aber ich mach’s trotzdem kurz. Ich habe den Film zum zweiten Mal gesehen; der Herr Koch kannte ihn nicht, diese Lücke mussten wir mal schließen. Ich fand den Film jetzt sogar noch besser als beim ersten Schauen. So viele Hinweise, die man beim ersten Mal übersieht, und die beim zweiten Mal einfach sooo eindeutig auf den Twist hinweisen. Toll, auch noch nach über zwanzig Jahren (wtf?).
  • Lady Bird: Greta Gerwig kann nichts falsch machen. Da, ich hab’s gesagt.

Serien

  • Challenger: The Final Flight: Ich hab’s ja mit Weltraum und Raumfahrt und so. Hier wird die ganze Story rund um das Challenger-Unglück aufgerollt. Es gibt Originalinterviews mit der Crew und aktuelle Interviews mit Hinterbliebenen. Was bleibt, ist der bittere Eindruck, dass hier Menschen gestorben sind, weil aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt ein Zeitplan eingehalten werden sollte.
  • Doctor Who: Ah, Doctor Who! Vor Jahren war ich schon mal Fan, vor allem von David Tennants Doctor. Matt Smith mochte ich nicht so und bin dann ausgestiegen. Nun gab es dieses Jahr einige Specials, in denen Tennant in die Rolle zurückkehrte, und da konnte ich nicht widerstehen. Ich sag mal so: Er kann’s noch. Und hat mich dazu gebracht, auch die neue Staffel zu verfolgen. Dass ich das recht konsequent tue, liegt nun aber mehr an Ncuti Gatwa, den ich sehr erfrischend finde als Doctor. Auch toll irgendwie: Dass man bei dieser Serie ein paar Staffeln auslassen und doch relativ einfach wieder einsteigen kann.
  • Unbelievable: Seit Ewigkeiten auf meiner Liste bei Netflix, jetzt endlich mal geschaut. Warum zur Hölle habe ich so lange damit gewartet. Das ist die perfekte Miniserie. Spannend, emotional, glaubwürdig. Wirklich toll daran ist aber, dass all die wichtigen Rollen von Frauen gespielt werden. Hier lösen zwei weibliche Detectives den Fall – und schau an: Sie können das richtig gut. Mehr davon!

Musikalisch bin ich übrigens immer noch in der Musicalwelt unterwegs. Ich glaube, das hatte ich vor einigen Wochen schon mal irgendwo geschrieben. Wirklich schockierend, wie viele Shows es gibt und wie wenige ich davon kenne. Da habe ich noch einiges aufzuholen. Leider habe ich ein Problem mit den manchmal doch arg konstruierten deutschen Übersetzungen von Musicalsongs, sodass ich nur englischsprachige Alben höre. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich Hamilton nicht gesehen habe, als es in Hamburg lief. Ich hätte das schlicht nicht ertragen auf deutsch, nachdem ich das Originalalbum komplett herunterbeten kann. Also keine Live-Musicals für mich, sondern weiterhin Spotify. Aber auch so hatte und habe ich viel Freude damit (und Geld spart’s auch ;-)).